Zeit zum Ankommen für die Eltern
Ein kleines Baby zu versorgen ist eine Vollzeitaufgabe, wickeln, unterbrochenen Nächte mit vielleicht wenig Schlaf, gerade ist das Baby frisch angezogen und zack ist die neue Klamotte schon wieder vollgespuckt. Wenn sie trotzdem das Gefühl bekommen in der Wochenbettzeit mehr zu schaffen als geplant, herzlichen Glückwunsch.
Trotzdem mein Rat, wie wahrscheinlich der der meisten Hebammen, geht in die Gegenrichtung. Entschleunigung, Ausruhen, Wahrnehmen, Innehalten.
Wer inne hält, hat Innen Halt.
Meine Kollegin Anja Gaca schreibt über das Wochenbett sehr passend in ihrem übrigens sehr lesenswerten Blog:
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„Nach der Geburt, sind die meisten Frauen emotional offen und deshalb auch schneller verletzlich in diesen ersten Lebenswochen. Genau diese Offenheit sorgt dafür, dass sie sich einfühlsam und liebevoll auf ihr Baby einlassen können. Doch gleichzeitig prallen der Stress und die Belastungen des Alltags nicht mehr so leicht wie bisher an einem ab. Ganz im Gegenteil nimmt man sich vieles doppelt zu Herzen. Und wenn es dem Körper oder der Seele zu viel wird, zeigt sich das – etwa durch einen Milchstau, eine verzögerte Rückbildung oder andere Symptome. Nicht wenige Frauen schlittern im ersten Babyjahr genau deswegen von einem Infekt in den nächsten hinein.
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Der Körper leistet so viel in dieser Lebensphase und hat deshalb auch Erholung verdient. Die meisten Frauen erwischt irgendwann die große Erschöpfung, wenn sie von Anfang an Vollgas geben. Und für eine sich ohnehin gerade neu definierende Beziehung ist es auch nicht die beste Ausgangssituation, wenn beide Eltern sich kaum Zeit zum Ankommen gönnen. Natürlich gibt es auch die wenigen Ausnahmen, die das alles wirklich nahezu mühelos mit links wuppen. Aber es ist nicht so wirklich vorhersehbar, ob man selbst zu diesen seltenen Ausnahmen gehören wird.“
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Gönnen sie sich also diese kostbare Anfangszeit mit ihrem Baby. Das Wochenbett dauert per Definition 8 Wochen und darf neben den zahlreichen zu erledigenden Aufgaben ausgiebig mit Schlafen, Baby bestaunen, Kuscheln und vielleicht manchmal gefühltem „Nichtstun“ gefüllt werden. Das Leben besteht aus Rhythmus, dies ist ein wertvolle, kostbare Zeit um sich ausgiebig und ausreichend im Leben mit Kind oder mehreren Kindern einzufinden.
Lassen sie sich also Zeit zum Ankommen!!! Eine Gesellschaft die oft nach Abschlüssen, Optimierung und Wachstum strebt, fällt es zunehmend schwer Phasen des scheinbaren Nichtstuns und Stillstands, des Krafttankens, des Regenerierens und des Verarbeitens als wertvolle Zeiten wahrzunehmen. Sie sind so wichtig.
Zeit zum Ankommen für das Kind
Auch Ihr Baby ist in dieser sensiblen Zeit schwer beschäftigt. Vor der Geburt waren Sie eng verbunden, Sie haben ihr Kind so umfassend berührt, wie es nie mehr wieder möglich sein wird. In der Gebärmutter behütet, kannte es keine Gefühle wie Hunger, Durst, Kälte und Hitze. Es erlebte Schwerelosigkeit im Fruchtwasser, gedämpfte Geräusche, das regelmäßige Schlagen des mütterlichen Herzens.
Mit der Geburt kommt das Baby in eine vollkommen andere Daseinsform. Es wird nicht mehr über die Nabelschnur mit Sauerstoff versorgt, die Lungenflügel entfalten sich und das eigene Atmen beginnt. Ebenso nehmen Leber und Darm ihre Tätigkeit auf. Das Baby muss sich vom Leben im Wasser auf ein Leben an Land umstellen. Ihr Baby hat in diesen ersten Tagen also mit zahlreichen Umstellungsprozessen zu tun. Vielleicht hilft Ihnen wie es sich für ihr Kind anfühlt, wenn sie sich vorstellen in ein fremdes Land zu reisen. Sie verstehen die Sprache nicht, sie wissen vielleicht nicht wann und wo sie die nächste Mahlzeit erhalten und das Klima ist ein völlig anderes, als sie bis dahin gewöhnt waren.
Ein Neugeborenen hört sehr gut und sehr ausgeprägt ist auch der Tastsinn. Mit diesen beiden Sinnen wird sein ganzes Dasein und seine Umgebung wahrgenommen. Mit wenigen Reize von außen, mit Ruhe und Rhythmus unterstützen sie ihr Baby gut auf dieser Welt anzukommen.